Tuesday, August 18, 2009

Teil der Natur

Autor: Katharina Horstmann

Nur 15 Kilometer von Taipei entfernt im Norden von Taiwan liegt die Vulkangruppe Datun. Sie ist nach dem über 1.000 Meter hohen Vulkangebirge Datun Shan benannt und umfasst etwa 20 Schichtvulkane. In einem der fruchtbaren Täler zwischen diesen Bergen, in unmittelbarer Nähe des Mount Datun, befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen japanischen Kirschbaumplantage das „Chen House“, konzipiert wie ein Schiff, um den extremen Bedingungen der Umgebung standzuhalten – und dies auf eine fast schwimmende Art und Weise.


Der Auftrag kam von einem pensionierten Paar, das die Stadt Taipei verlassen und sich auf dem Land zur Ruhe setzen wollte, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen und Kirschbäume und Bambus anzubauen. Marco Casagrande, der Architekt des Projektes, lebte zu der Zeit in einer verlassenen Teefabrik ganz in der Nähe und war schon – zum Vorteil seines Entwurfes – mit dem Schauplatz und seinen harten klimatischen Bedingungen vertraut. Denn das Wetter im Vulkangebirge kann sehr rau sein, mit intensiver Hitze im Sommer, häufigen Taifunwinden, regelmäßigen Überschwemmungen und Erdbeben.

Bioklimatische Architektur

So entwarf er eine sich den Launen der Natur anpassende, sogenannte bioklimatische Behausung, die seine Bewohner „wie ein Boot“ vor allen Gewalten schützen soll. Das eingeschossige Haupthaus, in dem sich der Wohn- und Schlafbereich befindet, ist ein schmales Rechteck, das an der Ostseite von einem kleineren, ebenfalls rechteckigen Nebengebäude gestützt wird und so einen stabilen Halt im Falle eines Erdbebens hat. Um es vor Überschwemmungen zu sichern, ließ Casagrande die Gebäude vom Erdboden auf eine auf Betonblöcken stehende Plattform anheben, die auch als Terrasse fungiert und unter der das Flutwasser durchfließen kann.

Nutzung alter Bautraditionen

Dach, Wände und Böden der beiden Teile bestehen aus Meranti, einem tropischen Hartholz, das mit seinem rötlichen Farbton einer kanadischen Kiefer ähnelt. Obwohl es sehr widerstandsfähig und günstig ist, wird es wegen seiner rustikalen Erscheinung in Taiwan meist nur für die Schalung genutzt. „Als Taiwan unter japanischer Herrschaft stand, wurde viel mit Holz gebaut,“ sagt Casagrande, „aber heute ist aus Chinas Provinz Fujian importierter Backstein die Norm. Bei diesem Projekt wollte ich eine Verbindung zu einer alten Bautradition wiederherstellen und sogenannte unbeachtete Materialien benutzen.“

Natürliche Belüftung

In einigen Teilen der Wände ließ Casagrande zwischen den Holzleisten absichtlich Spalten, um eine natürliche Belüftung zu unterstützen. Der vom Fluss Datun kommende Wind wird ebenso eingefangen wie die kühlen Luftströmungen des südlich des Hauses neu angelegten Teiches. Ein aus Ziegelstein gemauerter Kamin, der im Zentrum des Wohnbereichs steht, wird im Winter zum Heizen sowie über das Jahr hinweg zum Kochen von Tee genutzt.

Schwitzen zum Abhärten

Die sich in dem Nebengebäude befindende Küche und das Badezimmer bestehen ebenfalls vollständig aus Holz – mit Ausnahme einer Badewanne, die aus Natursteinen gebaut wurde. Zum Bad gehört auch eine Sauna, die von den Bewohnern im Winter auch gerne bei niedrigeren Temperaturen zum Waschen und Aufwärmen, aber noch viel lieber zum Schwitzen benutzt wird. Schließlich wirkt sich das Saunieren positiv auf das vegetative Nervensystem und allgemeine Wohlbefinden aus und hat einen stärkenden Effekt auf das Immunsystem. Damit dient es insbesondere der Abhärtung gegen Erkältungskrankheiten – und wo kann man das besser gebrauchen als in der freien, rauen Natur?

Die Nutzung des Merantiholzes unterstreicht auch Casagrandes Vorstellung des Hauses als leichtgewichtiges Schiff, fähig, schwierige Umweltbedingungen leicht und geschmeidig zu überstehen. „Ich wollte aus dem „Chen House“ eine Art Schiffswrack machen,“ so der in Finnland ansässige Architekt des Kollektivs C-Laboratory, „bei dem das von Menschenhand gemachte zu einem Teil der Natur wird.“ So passt sich das Haus auch farblich fließend der Umgebung an: Das Rotbraun des Holzes bezieht sich auf die Töne des Erdbodens der Umgebung – und harmonisiert perfekt mit der üppigen Plantage.

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